Es wird dem Bänker J.P. Morgen zugeschrieben, folgenden Satz gesagt zu haben: „Man hat immer zwei Gründe etwas zu tun: Einen anständigen und den wahren.“
Die „Rente mit 63“ gehört in diese verlogene Kategorie. Der Gesetzgeber hat 1992 eine Altersrente mit 63 Jahren eingeführt. Damit erkauften sich die Menschen in schlechten Zeiten einen vorzeitigen Renteneintritt mit Abschlägen. Das war nicht rentenpolitisch gewollt, sondern sozial- und wirtschaftspolitisch. Man hat Älteren einen kostenpflichtigen Eintritt in die Rente gestattet, um nicht sie in die Arbeitslosigkeit zu schicken.
Seit die Regelung zum abschlagsfreien Renteneintritt mit 63 im Sommer 2014 in Kraft trat, haben bereits im ersten Jahr 1,2 Millionen Menschen die abschlagsfreie Frührente beantragt. „Die Leute rennen uns die Bude ein“, sagte der Chef der Deutschen Rentenversicherung Mitteldeutschland, Jork Beßler, der Deutschen Presse-Agentur mit Blick auf die Rente mit 63. (so zu lesen im Manager-Magazin v. 30.9.2019). Über dreißig Prozent der Neurentner nehmen diese Regelung in Anspruch.
Auf der Seite des BMAS steht die blumige Begründung: „Mit der abschlagsfreien „Rente ab 63“ werden die Menschen belohnt, die mit ihrer Lebensarbeitsleistung das Rentensystem stützen. Es werden diejenigen in den Blick genommen, die ihr Arbeitsleben bereits in jungen Jahren begonnen und über Jahrzehnte hinweg durch Beschäftigung, selbständige Tätigkeit und Pflege sowie Kindererziehung ihren Beitrag zur Stabilisierung der gesetzlichen Rentenversicherung geleistet haben. Für diese Menschen wurde die bereits bestehende Möglichkeit, nach 45 Beitragsjahren ab 65 abschlagsfrei in Rente zu gehen, vorübergehend ausgeweitet.“
Vorher hat der der Deutsche Bundestag am 9. März 2007 das Rentenversicherungs-Altersgrenzenanpassungsgesetz beschlossen und damit die schrittweise Anhebung der Regelaltersgrenze ab 2012 in der Gesetzlichen Rentenversicherung vom 65. auf das 67. Lebensjahr in die Wege geleitet.
Spätestens jetzt müssten alle Alarmglocken bei den Steuerzahlern läuten. Unsere „gewählte“ Regierung macht Menschen, die lange gearbeitet haben ein Geschenk. Gleichzeitig verschiebt sie das reguläre Eintrittsalter nach oben. Nimmt aber ab 2005 junge Menschen im Sozialsystem am liebsten alles weg und hat ältere Arbeitslose im gleichen Zuge grundgesetzwidrig enteignet. Dafür aber quasi die Erbschaftssteuer auf Eis gelegt.
Umverteilung von Arm nach reich bei Rente
Rente sollte einmal die Sicherung des Lebensstandards im Rentenalter sicherstellen. Einig war man sich noch Anfang der 2000er Jahre, dass dieses bei 56 Prozent des Nettogehaltes anzusiedeln ist. Das benötigte Standardrentenniveau lag bei knapp 70 Prozent, dass Nettoniveau vor Abgaben/Steuern bei 58 Prozent. Lassen wir es einmal aus, den Trick, die Nettorente nicht ausweisen, genauer sozialpolitisch anzusehen.
Natürlich sei dem, der seit seinem 15./16. Lebensjahr gearbeitet hat, gegönnt, jetzt mit einem vollen Anspruch mit 63 in Rente zu gehen. Die Arbeitsverdichtung und Diskriminierung von Älteren am Arbeitsmarkt führen sicher primär zu einem solchen „Run“ auf diese Möglichkeit.
Die Schieflage dieser Wohltat erschließt sich teilweise durch die Rechnung des ifo-Institutes: „Die Rente mit 63 schwächt die Nachhaltigkeit der Rentenversicherung. Sie stellt eine mit hohen Kosten verbundene Umverteilungsmaßnahme von Beitragszahlern und Beziehern kleinerer Renten zu Rentnern mit vergleichsweise hohem Einkommen dar.“ Sie ist viel teurer, als die GroKo und Frau Nahles damals geplant haben. Aber das ist nur die eine Seite. Und diese gehört noch zu dem „guten“ Grund.
Kommen wir also zu der „wahren“ Seite.
Subvention in Milliardenhöhe für die Kapitaleigner
Jetzt ist der gut bezahlte Facharbeiter und Angestellte, denn um die geht es mehrheitlich, mit 63 ohne Abschlag in die Rente geflüchtet. Sei`s drum!
Der Protest von Verdi oder gar IG Metall fiel sehr unhörbar aus. Der des BDI oder gerade der Metall- und Autoindustrie, hatte eher den Charakter eines Grußwortes zu Fronleichnam.
Die Wirtschaft brach auch nicht zusammen, als hunderttausende von Fachkräften in den Ruhestand gingen. Nun mag es einzelne Firmen geben, die versuchten diese zu halten. Mir selbst sind 450-Euro-Jobs und Beratertätigkeiten von Ex-Mitarbeitern auf selbstständiger Basis bekannt. Hier stellt sich die Frage, waren diese Fachkräfte überflüssig? Ja, sind sie! Denn z.B. ist die produzierende Industrie, insbesondere die Automobilindustrie, rationalisiert und automatisiert bis zur Halskrause.
Ein Freund holte in diesem Jahr seinen neuen Wagen im Werk ab. Er schockte die nette PR-Dame, die den Abholern ein paar Einblicke ins Werk gab mit der Bemerkung, er habe immer geglaubt, sein Auto würde liebevoll von Mitarbeitern zusammengeschraubt. Jetzt stelle er fest, in den Werkhallen ist kaum noch ein Mensch.
Rund 68.300 Euro brutto verdienen Fachkräfte in der Automobilindustrie durchschnittlich pro Jahr. Das gilt auch für nichtakademische und besonders für ältere Mitarbeiter. Nun rechnen wir das einmal von der Seite der Wirtschaft durch:
Der Mitarbeiter, der ca. 5.000 Euro Gehalt im Monat bekommt, wird mit dem sog. Arbeitgeberanteilen auf knapp 6.000 € für den Betrieb kommen. Lassen wir einmal Gratifikationen, Prämien und andere Leistungen beiseite.
1,2 Mio „Frührentner“ in 2018 x 6.000,- €/Monat = 86,4 Milliarden Euro weniger löhne und Lohnnebenkosten für die Betriebe. Keine Abfindungen, keine Auffanggesellschaften und keinen Imageverlust. Diese Mitarbeiter per Abfindung los werden, kostet rd. (bei 20 Jahren im Betrieb) 72 Milliarden Euro.
Man kann also mit Fug und Recht behaupten, die deutsche Wirtschaft hat sich auf bequeme Art, von über einer Million hochbezahlter, überflüssiger Fachkräfte getrennt. Bei dieser sehr moderaten Rechnung kommt man zu dem Schluss, dass die „Rente mit 63“ die deutsche Wirtschaft, auf Kosten der Steuerzahler und Rentenversicherung, mit bisher bald an die 200 Milliarden Euro per anno subventioniert.
Das ist kein Zufall oder gar Fehler. Gerade Frau Nahles und der Genosse Gabriel wissen um den Effekt. Sie wollten auf Kosten der Steuerzahler viele Ältere, insbesondere ostdeutsche, als Wähler einfangen. Man könnte es auch unerlaubte verdeckte Parteienfinanzierung nennen.