Was soll man davon halten, dass eine Armee in einem fremden Land einen 60 km langen Konvoi an Panzern und Kriegsgerät parkt, dieser weder umgehend weggeschreddert wird, noch ein Parkknöllchen bekommt? Da stellt sich doch die Frage, ob dieser Eindringling so übermächtig und das bedrängte Land so hilflos ist oder alles nur eine große Show.
Oder, sie geneigter Leser, wohnen auf einem Pachtgrundstück eines Großgrundbesitzers im Ort, um dessen Teile es einen Streit gibt, und ihr Verpächter den Nachbarn am liebsten ruinieren würde. Der wiederum beschlagnahmt ihre Grillhütte am Rande des Grundstücks, weil er die Rechtmäßigkeit dieses Teils des Grundstücks anzweifelt. Es reichte ihm nach einigen Jahren der Mahnung und Angebote. Jetzt ließ einen Bulldozer über Hecke und Hütte fahren. Ebenso über die darin installierte Videoüberwachung seines Grundstücks durch ihren Verpächter. Diese hat der Nachbar schon von Beginn bemängelt und den Abbau gefordert.
Ihr Verpächter hat auch noch einen Wachschutz für diese Grillhütte engagiert, die den Nachbarn androht, sollte er etwas gegen diese Videoanlage unternehmen, würde man ihn ruinieren. Wenn es sein muss, auf seinem Grundstück Gift eingraben und ihn dann anzeigen. Der Wachschutz sitzt jetzt jammernd mit blauem Auge auf ihrer Terrasse und will Unterkunft und Verpflegung. Und sinnt auf Rache. Ihre Gartenecke ist kaputt und ihr Verpächter verspricht ihnen, wenn sie den Nachbarn vertreiben, dann sind sie sein Freund. Er zahlt ihnen Teile der Kosten des Wachschutzes und stellt auch Verbindungen zu Kriminellen her, die den Nachbarn überfallen würden. Abhängige, angebliche Freunde ihres Verpächters, fühlen sich genötigt sich an ihren Kosten etwas zu beteiligen. Sie spenden ihnen ein paar Lebensmittel, fast abgelaufene, für die Wachmannschaft und sichern ihnen Grillkohle zu.
Sie rennen von Haus zu Haus, der Verpächter lädt sie sogar als Ehrengast zu einer Grill-Feier in seine Villa ein. Sie dürfen auch über den bösen Nachbarn herziehen, der ihre Grillhütte besetzt hat. Alles applaudiert, klopft ihnen auf die Schulter und dreht sich grinsend weg. So ungefähr könnte sich Herr Selenskyj aus Kiew fühlen.
Die im Dunkeln sieht man nicht
Zu fortgeschrittener Stunde, stehen sie mit einem ortsbekannten honorigen Juristen zusammen und köpfen die dritte Flasche des Weines ihres Verpächters. Der erzählt ihnen in der Weinlaune, dass es berechtigte Zweifel an der Grundstücksgröße gibt, das Gartenhaus eigentlich einer nicht vorhandenen Baugenehmigung bedarf, und die Videoanlage ist sowieso illegal und strafbar. Das es ebenso illegal ist, dass der Nachbar den Gartenzaun mit einem Bulldozer niederwalzte und ihre Grillhütte gleich mit. Jetzt steht die Raupe auf dem umstrittenen Ecke des Grundstücks.
Sie wollen gerade anheben, über diese Unmach zu lamentieren, da stoppt sie der freundlich besäuselte Jurist. Er deutet ihnen, sie sollen sich nicht aufregen, es geht gar nicht um diese Ecke oder ihre Grillhütte. Sie sind nur zufällig der derzeitige Aggressionspunkt. Es geht um das riesige Gelände neben ihnen. Ihr Verpächter will dort eigentlich ein neues Outlett- und Logistikcenter bauen, wie er es in anderen Städten auch schon gemacht hat. Ihr Nachbar allerdings war so pfiffig und schnell, dass er sich, noch bevor Ihr Verpächter den Stadtrat zu einer Umnutzung dieser Flächen bewegen konnte, das Vorkaufsrecht an daran sicherte. Er will, wie auch er schon in zwei Modellregionen im Ausland, dort eine autarke Mehrgenerationensiedlung erstellen. Mit eigener Schule, Ärzten, einem Demenz- und Pflegezentrum, Kinderbetreuung, Gewerbe, eigener alternativer Strom, Wasser und Abwasserversorgung. Das ganze als Genossenschaft mit einem Aufsichts- und Verwaltungsrat, der per Los alle zwei Jahre neu entschieden wird. Er selbst behält sich nur ein eng beschriebenes Veto vor.
Das sei der Knackpunkt, erklärt mit etwas schwer Zunge der Jurist, der für beide arbeitet. Es ist ein Systemstreit. Zudem, so plaudert der Jurist aus, habe ihre Verpächter vor Jahren bei dem ersten Projekt ihres Nachbarn im Ausland versucht, die Mitglieder der Genossenschaft zu bestechen und Strohmänner zu platzieren. Das ist aufgeflogen und ihr Verpächter damit raus geflogen. Und ihnen hat der dieses Grundstück mit der tollen Aussicht und Seeanbindung nur verpachtet, da sie unkundig waren und ihren wirtschaftlichen Erfolg der letzten Jahren ganz schnell sichtbar zeigen wollten.
Keinen Blick für Lösung?
Dann rät der Advokat ihnen, mit dem Nachbarn ein Abkommen zu schließen. Es solle beinhalten, sie lassen den strittigen Teil des Grundstückes in Ruhe, er baut ihnen eine neue Grillhütte nach ihren Wünschen und trägt seinen Streit direkt oder vor Gericht mit ihrem Verpächter aus.
Das hatten ein paar Nachbarn gehört und sprachen sofort ihre Zustimmung aus und wären bereit, das erste Grillfest zu sponsern. Nachbar und auch Verpächter müssten eingeladen werden. Sie wollten nämlich Ruhe und Frieden im Ort.
Solange steht der Bulldozer auf dieser Fläche und der Wachschutz sitzt auf ihrer Terrasse. Ärgert ab und zu den Raupenfahrer. Ihre Kinder trauen sich nicht auf die Schaukel und in den liebevoll selbst gezimmerten Sandkasten. Sie haben nicht einmal eine Grillecke und die Nachbarn bringen ihnen aus Solidarität Reste von ihrer Grillfete.
Nun, was machen Sie, Herr Selenskyj?